Ein kurzer Auszug aus ihrem Buch:
Alexander liebt seine Mitschülerin Aysel. Doch es ist eine Liebe, die nicht sein darf. Denn Aysel ist Muslimin und Alexander Christ. Die beiden haben keine Chance. Aysels Bruder Ilhan, der auf dieselbe Schule geht, wacht mit Argusaugen über die Ehre seiner Schwester. Aber so leicht gibt Alexander nicht auf. Als der Konflikt sich immer mehr zuspitzt und die ganze Schule in zwei Lager spaltet, soll Aysel plötzlich verheiratet werden. Den beiden Liebenden bleibt nur die Flucht. Doch Aysels Bruder ist ihnen dicht auf den Fersen.
Die beiden Briefe von Aysel und Alexander geben weitere Einblicke in das Buch. Viel Spaß beim Lesen.
Brief an Alex
Hi Alex,
vieles von dem, was Du heute gesagt hast, verstehe ich. Ich verstehe, wie es Dich nervt, wie sich manche muslimische Jugendliche benehmen. Ich verstehe, wie Dich die Doppelmoral nervt. Du hast gesagt, es gibt eine unendliche Fülle an Arten, wie Liebe entsteht. Der Satz hat mir gefallen und bei uns ist es nicht anders. Unsere Welt ist groß und weit, und Du darfst sie nicht über einen Kamm scheren.
Es gibt Familien, da stellen sich verschiedene Werbende der Braut und ihren Eltern vor, bis diese sich einen Glücklichen herauspickt. Manchmal wählen die Eltern den Partner auch komplett selbstständig aus. Ich will Dir da nichts vormachen, wir haben am Anfang auf den Matten im Geräteraum beschlossen, offen zu sein, und mit Offenheit will ich Dir schreiben, wie die Dinge bei uns laufen. Ich weiß, dass bei Euch das Heiraten von Unbekannten verpönt ist. Ich kann das nicht verstehen. Am Ende haben unsere Eltern doch so viel mehr Lebenserfahrung, haben so viel mehr erlebt und gefühlt als wir selbst. Wir können uns doch sicher sein, gerade in solchen Dingen, dass sie nur das Beste für uns wollen und nur in unserem Sinne entscheiden. Oder glaubst Du ernsthaft, es gäbe nichts Wichtigeres für sie, als die Wahl einer geeigneten Liebe für ihre Kinder?
Sicher, mir gefallen sie auch, die Lieder, Bücher und Filme, in denen man sich trifft und sich blitzschnell in eine traumhaft schöne erste Liebe verrennt, aber wie sieht das in der Realität aus? Dreizehnjährige Mädchen, die mit kurzen Röcken, in den extremsten Farben geschminkt, freitagabends in die Discos fahren, wo nichts auf sie wartet als die bittere, ewig wiederkehrende Enttäuschung. Eklige Typen (ja, oft Türken), die an nichts weiter interessiert sind als an ihren Körpern und die sich darauf "spezialisiert" haben, möglichst unerfahrene Mädchen ins Bett zu kriegen, um sie danach benutzt und wie Dreck zurückzulassen. Ist das Eure freie, selbst bestimmte Liebe? Entschuldige, aber darauf kann ich verzichten.
Aysel
Überhaupt Alex, "Liebe", was soll das bei Euch schon sein? Wie lange hält eine von Euren Ehen? Wie schnell wird Zuneigung verraten? Welche Gefühle sind bei Euch schon groß genug, um zu bleiben?
Brief an Aysel
Aysel
einsam sind wir, sehr alleine. Das Leben besteht aus tausend Kämpfen. Wir müssen uns in der Gesellschaft behaupten, müssen beliebt und anerkannt sein, wir müssen für ein gutes Einkommen sorgen - und zu alledem müssen wir nach einem Menschen und einer Bindung suchen, die uns warm hält. Draußen, allein und auf weiter Flur, immer wieder auf`s Neue und wenn man so will, jeder gegen jeden. Oh ja, sie ist anfällig, unsere Liebe. Sie ist zart und verletzlich, allem Zorn und jeder Missgunst, die uns entgegenströmen, jedwedem Windchen und der Witterung der Zeit hilflos ausgesetzt. Alles um uns ändert sich, wir ändern uns und unsere Empfindungen müssen immer wieder gefunden und behütet werden. Oft genug hält die Liebe nicht stand, oft fällt sie zusammen und erbärmlich häufig schmilzt sie vor unseren Augen dahin. Ja, immerfort wird sie allein gelassen und geht, sich schmerzlich windend, zugrunde.
Aber Aysel, unsere Liebe ist frei und nur darum ist sie mächtig und schön. Weil wir mit jedem Atemzug der Liebe spüren, dass sie echt und wahr und wahrhaftig bei uns ist. Selbst in den Momenten, in denen sie uns Schluchzen und Unglück bereitet, in den einsamen und verzweifelten Stunden, haben wir doch die Gewissheit, dass sie selbst gewählt ist. Und die süßen Momente schmecken umso süßer, sind umso kostbarer und erfüllender, denn in ihnen steckt das wirklich freie und tatsächliche Glück.
Ja, es ist ein weites Meer aus Menschen, in dem wir uns träge und unsicher bewegen, es ist mühevoll und kalt, jemanden zu finden, damit man nicht einsam ist. Doch immer wieder wollen wir der zarten Pflanze dieser Liebe eine Chance geben, immer wieder geben wir uns ihrer Schönheit hin. Wenn man so will, sind wir ganz schöne Idealisten, ja eigentlich sogar Verrückte, dass wir es immer wieder versuchen, anstatt ernüchtert aufzugeben.
Am Ende, dessen sind wir uns sicher, ist die Liebe das Kostbarste, was es gibt. Alex